Tag 62: Mansilla de las Mulas(E)-Leon(E), 5h, 10°C



Ich laufe mit Frank früh los, heute ist Samstag. Noch eine kurze Etappe bis nach Leon, dann ist Ruhetag. Ich freue mich auf die Kathedrale und auf das Kloster, in dem ich hoffentlich übernachten kann.



Beim Verlassen von Mansilla de las Mulas sehe ich, dass die Stadt auf der Westseite noch von der Stadtmauer mit Zinnen umgeben ist.



Die Strecke führt heute grösstenteils mehr oder weniger neben der Strasse entlang. Villamoros de Mansilla. Bei einem Bäcker kaufen wir süsse Stückchen.



Puente Villarente, nur wenige Kilometer weiter.



Valdelafuente. Eine Digitalkamera ist etwas zu langsam für echte Schnappschüsse, ich wollte den Storch den Bruchteil einer Sekunde früher knipsen, beim Flug über das Schild.



Wir sind in den Vororten von Leon. Auch hier sind die Kirchtürme von brütenden Storchpaaren besetzt.



Ein Vorgeschmack auf die Heilige Woche, Semanta Santa. Das ist die Karwoche zwischen Palmsonntag und Ostern. León ist bekannt für die Prozessionen während der Semanta Santa. In vielen Geschäften hängen die Einladungen zu diesen Prozessionen in León aber auch in anderen Orten.



Und dann bin ich in León, mitten in der Altstadt. León hat 136.000 Einwohner und liegt hoch, auf 840 Hm über dem Meeresspiegel.



Die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt ist die Kathedrale mit ihrem herausragenden Glasfenster. Die werde ich morgen in aller Ruhe besichtigen.

Ich habe mich beim Stadteingang von Frank verabschiedet. Er hat nur wenig Zeit für den Camino und hat daher pro Tag 40 Km eingeplant. Das ist ein grosses Pensum. Besonders, wenn man ohne Einlaufen mit dieser Distanz losgeht und keine zeitliche Reserve einplant.

Ich komme in der Carbajalas, der großen Herberge der Benediktinerinnen unter, die mitten im Stadtzentrum liegt. Hier finden sich übers Wochenende viele der mir bekannten Pilger ein.



Die Herberge liegt an einem schönen Platz. Gegen Abend läuft ein Musikzug auf und bringt einige Stücke mit sehr interessantem Rhythmus zu Gehör. Es ist eine der Gruppen, die während der Semanta Santa die Prozessionen begleiten. Das muss ich unbedingt sehen!



Die Nonnen laden zum Abendgottesdienst, der Vesper ein. Schöner Gottesdienst, der Gesang reicht aber bei weitem nicht an die Qualität von Moissac. Das hatte mich wirklich beeindruckt. Die Nonnen teilen Kopien aus mit den Texten, ich kann dem Spanisch leider nicht folgen.

Ich übernachte auf meinem Weg so oft wie möglich in Klöstern, da ich diese Art des Lebens nicht persönlich kannte und mich die Entschlossenheit zu diesem Lebensstil zum einen kritisch stimmt, zum anderen aber auch fasziniert. Ich bin nach dem 2.ten Vatikanischen Konzil aufgewachsen, habe also die (willkürliche) Strenge der Religionsausübung glücklicherweise nicht kennengelernt. Dadurch konnte ich mir eine gewisse Offenheit bewahren, die ich ansonsten möglicherweise nicht hätte.

In den Klöstern wird das Stundengebet praktiziert. Das Stundengebet ist die Antwort der Kirche auf das Apostelwort „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17). Im folgenden möchte ich das Stundengebet kurz vorstellen. Mir selbst waren die Stundengebete nicht im Detail bekannt, es ist vielleicht interessant zu wissen wie das abläuft. Aus französischen und spanischen Textbüchern konnte ich es unterwegs jedenfalls nicht entnehmen.

Meine Quelle ist wie üblich Wikipedia.

Zur Abfolge der Gebetszeiten sei zunächst angemerkt, dass sich die Einteilung nach der antiken Zeitrechnung richtet. Der Tag war damals die Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; er wurde in zwölf gleich lange Stunden eingeteilt. Wie lang eine solche Stunde war, hing von der Länge der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ab, war damit also sowohl regional verschieden als auch zu den einzelnen Jahreszeiten unterschiedlich. Als ungefähre Umrechnung in unsere heutige Zeiteinteilung kann die erste Stunde des Tages auf etwa 06:00 Uhr angesetzt werden.

Ursprünglich gab es acht verschiedene Gebetszeiten, die heute auf sieben, teilweise auch fünf verkürzt sind:

Vigil (lateinisch: Wache)
Die Vigil ist die erste Gebetszeit des Tages. Sie wird in der Nacht oder am frühen Morgen verrichtet Am Hochfest der Geburt des Herrn (Weihnachten - Christmette) und dem Hochfest der Auferstehung des Herrn (Ostern - Osternacht) wird die Vigil als Nachtwache gehalten. In der Benediktusregel wird als Beginn der Vigil die achte Stunde der Nacht genannt, was etwa 02:00 Uhr entsprechen würde.

Nach der Eröffnung "Herr öffne meine Lippen, damit mein Mund Dein Lob verkünde" wird ein Psalm als Gebetseinladung (Invitatorium) gebetet, gefolgt von einem Hymnus. Hieran schließen zwei oder drei Abschnitte (Nocturnen) an. Jede Nocturn besteht aus mehreren Psalmen und einer anschließenden längeren Lesung. In der ersten Nocturn enthält die Lesung einen Abschnitt aus der Bibel und in der zweiten Nocturn einen Abschnitt aus anderer spiritueller Literatur. An Sonntagen und Hochfesten wird eine dritte Nocturn gebetet, in der statt Psalmen biblische Cantica gebetet werden. Im Anschluss wird das Evangelium des Sonntags oder Hochfestes gelesen und das Te Deum gebetet. Den Abschluss der Vigil bildet eine Oration.

Die vollständige Vigil wird heute nur noch von wenigen monastischen Orden gebetet. Selbst bei den Benediktinern wird sie teilweise auf eine Nokturn gekürzt. Im Zuge der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils ist im römischen Stundenbuch, das von den Weltpriestern und einigen tätigen Orden gebetet wird, die Lesehore, die zu einem beliebigen Zeitpunkt des Tages gebetet werden kann, an die Stelle der Vigil getreten.

Laudes
Die Laudes werden bei Tagesanbruch gehalten, da die aufgehende Sonne ein Symbol für Christus ist, dem mit der Laudes Lob dargebracht wird. Heute werden die Laudes üblicherweise morgens zwischen 06:00 Uhr und 08:00 Uhr gehalten. Sie bestehen aus Eröffnung, Hymnus, Psalmen, alttestamentlichem Canticum, Schriftlesung, Responsorium, Benedictus, Bitten, Vater unser, Tagesgebet und Segen.

Prim, Terz, Sext, Non (kleine Horen)
Im Laufe des Tages soll die Arbeit drei Mal von den sogenannten kleinen Horen unterbrochen werden: zur dritten Stunden (ca. 09:00 Uhr) von der Terz, zur sechsten Stunde (ca. 12:00 Uhr) von der Sext und zur neunten Stunde (ca. 15:00 Uhr) von der Non. Früher wurde außerdem zur ersten Stunde (ca. 06:00 Uhr), meist unmittelbar vor den Laudes, noch die Prim gebetet. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Prim jedoch als Doppelung zu den Laudes abgeschafft. Psalm 95, der als Invitatorium zur Laudes gebetet wird, ist ein Überbleibsel der Prim. Nur noch im Stundengebet der Kartäuser ist sie erhalten geblieben. Im römischen Stundenbuch und dem Stundengebet vieler Orden werden Terz, Sext und Non heutzutage zu einer Tageshore zusammengefasst.

Vesper
Die Vesper bildet zusammen mit den Laudes die Angelpunkte des Stundengebetes. Die Vesper besteht aus Eröffnung, Hymnus, Psalmen, neutestamentlichem Canticum, Schriftlesung, Responsorium, Magnificat, Fürbitten, Vater unser, Tagesgebet und Segen. Ist die Vesper die letzte Hore des Tages, die in Gemeinschaft gebetet wird, wird häufig eine Marianische Antiphon angefügt. Sie beendet die tägliche Arbeitszeit. Gebetet wird sie in der Regel gegen 18:00 Uhr.

Jeder Sonntag und jedes Hochfest (Ausnahme Ostern) wir mit einer "ersten Vesper" begonnen, die schon zur Gebetszeit des Sonntages oder Hochfestes zählt.

Komplet
Die Komplet ist das Nachtgebet, mit dem der Tag beendet wird. Ihr geht in der Regel ein Schuldbekenntnis voraus. Sie besteht aus einem Hymnus, Psalmen (traditionell die Psalmen 4, 134 und 91), einer Kurzlesung, dem neutestamentlichen Gesang Nunc dimittis (Lk 2,29-32), einer Oration und einem Segen für die Nacht. Danach gilt in den monastischen Orden bis zum Morgen das nächtliche Stillschweigen.



Der Platz vor der Herberge Carbajalas in Nachtstimmung.

Die Herberge schließt um 21:30 Uhr. Aber ich wäre auch so früh ins Bett gegangen. Das tagelange Laufen in Wind und Regen war anstrengend.