Tag 59: Boadilla del Camino(E)-Carrión de los Condes(E), 7h, 8°C



Heute ist ein windiger bis böig stürmischer Tag. Wir laufen zu dritt, Christoph, Michael und ich. Die Etappe heute ist relativ kurz, 25 Km bin Carrión. Das passt, um am nächsten Wochenende in Leon zu sein.



Die Landschaft erinnert mich an Holland. Flaches, weites Land, Wasser, Wind.
Im Gegensatz zu Holland wird hier jedoch hauptsächlich Getreide angebaut.



Wir kommen nach Frómista. Die Westgoten bauten Frómista zu einem bedeutenden Ort aus. Wahrscheinlich verweist auch der Ortsname volksetymologisch auf das Hauptanbauprodukt der Umgegend, den Weizen, und die Nähe des Ortsnamen zu Frumentum, dem lateinischen Namen dieses Getreides.



Der Canal de Castilla wird aufgestaut, auf ihm wurde früher das Getreide verschifft, heute dient er der Bewässerung der Tierra de Campos.



In der Hitze des Sommers wird man wohl kaum einem kühlen Bad widerstehen können.



Im Zug der maurischen Invasion Spaniens wurde Frómista zerstört und blieb wegen sich verschiebender Frontverläufe über ein Jahrhundert unbesiedeltes Niemandsland. Erst im 10.ten Jahrhundert kehrten Menschen in die zur Wüstung verfallene Stadt zurück. 1066 wurde hier ein Benediktinerkloster gegründet. Das Kloster wurde im 12.ten Jahrhundert dem Kloster San Zoilo in Carrión de los Condes unterstellt, seinen einzigen Überrest stellt die Kirche San Martín dar, eine der wichtigsten romanischen Kirchen am Jakobsweg. (Quelle: Wikipedia)



Im folgenden einige Bilder der Kirche San Martín. In 50 Jahren wird sie 1000 Jahre alt!































Wohl wegen der Kürze der Etappe kommen wir nicht richtig in Rhythmus beim Laufen. Wobei der Weg teilweise auch uninspirierend neben der Strasse entlang führt, immerhin auf einem gut ausgebauten Wanderweg.





Población de Campos, die Ermita San Miguel aus dem 12.ten Jahrhundert ist zwischen den Bäumen versteckt.



Ein Landhaus in Población de Campos. Links ist ein Taubenhaus zu sehen, aus Lehmziegeln gebaut. Auch in Boadilla waren solchen Taubenschläge zu sehen, etliche davon verfallen.



In Población machen wir eine kleine Rast in einer Bar. Bauarbeiter machen eine Morgenpause, sie essen Dosenfisch und Oliven mit Brot.



Wir ziehen weiter.



Über Villovieco geht es nach Villarmentero, das hier vor uns liegt.



In Villarmentero halten wir eine kleine Rast im Windschatten der Kirche. Das alte Kreuz sieht aus, wie von Bohrwürmern im Meer zerfressen.



In der Kirche sollen Reliquien des Heiligen Martin von Tours liegen, bei uns besser bekannt als St. Martin.



Ein älterer Herr lädt uns ein, die Kunstwerke in seiner Garage zu bestaunen. Selbst gebastelter Kitsch. Es ist uns nicht klar, ob er uns etwas verkaufen möchte. Aber jedes Gramm muss getragen werden, daher bleibt es beim Bestaunen.





Wir nähern uns Villalcázar de la Sirga. Das Wetter ist recht wechselhaft, vor wenigen Minuten war der Himmel noch schwarz, wir sind nur um wenige Meter trockenen Fusses an einer Regenfront vorbeigekommen.



Der Ortsname Villalcázar de la Sirga beinhaltet Villa – Dorf, Weiler; Alcázar – in etwa: Burg (von arab. al-qasr, das Haus) und Sirga – Weg, Fußweg; was zusammengesetzt das 'Dorf an der Burg am Weg (nach Santiago)' ergibt.
1069 wird Villasirga erstmals als Pilgerstation am Jakobsweg erwähnt. Durch Schenkung geriet das Dorf in den Besitz des Ordens der Tempelritter und verblieb dort bis zur Auflösung des Ordens im Jahr 1312. Im Mittelalter ein wichtiger Ort und marianisches Zentrum, existierten hier insgesamt drei Kirchen, spätestens ab dem 18. ten Jahrhundert begannen Bedeutungsverlust und Schrumpfung des Ortes auf die heutige Größe von 245 Einwohnern.



Die reich verzierte Kirche Santa María la Blanca, aus dem 13. Jahrhundert, zeigt den Übergang von der Romanik zur Gotik.







Ein Erdbeben zerstörte 1888 das südliche Seitenschiff, welches reduziert wiederaufgebaut wurde und verrückte das südliche Portal in seiner Geometrie, wie auf den Bildern oben zu sehen ist.

Leider erhalte ich keine Schlüssel zur Kirche, ich würde sie gerne von innen sehen. Während wir von einer Bank aus die Kirche bestaunen und eine der vielen heutigen Pausen machen, kommt eine deutsche Pilgerin aus dem Murg-Tal bei Baden-Baden vorbei. Elisabeth hat ihren Weg heute begonnen, ich werde sie noch öfters sehen im weiteren Verlauf.



Tradition wird wohl großgeschrieben, auch wenn es die dunkle Tradition de Nationalismus betrifft. Der Plaza del General Franco hat noch sein Namensschild. In Deutschland wäre ein Adolf Hitler Platz undenkbar, die Spanier haben ihre jüngere Geschichte jedoch noch nicht aufgearbeitet.



Nur noch wenige Kilometer, dann kommen wir nach Carrión de los Condes. Wir treffen einen weiteren Pilger, ein Holländer. Er läuft mit seinen sechzig Jahren die Strecke zum neunten mal. Beim Anblick des Schäfers sagt er, das vor Jahren überall noch Schafherden mit Hirten anzutreffen waren. Davon ist so gut wie nichts übrig.



Carrión de los Condes,
2.300 Einwohner.



Gleich am Ortseingang stehe ein kleine Kapelle. Carrión de los Condes war früher eine sehr wohlhabende Stadt, hier wurden Reichstage und Synoden abgehalten.



Für die Übernachtung gibt es hier mehrere Optionen, wir gehen in das Klarissen Kloster.

Zum Hintergrund dieses Ordens möchte ich etwas ausholen, aus meiner üblichen Quelle Wikipedia:

Klara von Assisi (* 1193 oder 1194 in Assisi, in Umbrien, Mittelitalien; † 11. August 1253 San Damiano, Assisi) war die Gründerin des Ordens der Klarissen.

Klara (manchmal auch Chiara) wurde als Tochter eines Adligen geboren. Durch Franz von Assisi beeinflusst und mit seiner Hilfe verließ sie ihr wohlhabendes, adliges Elternhaus und widmete sich der Nachfolge Christi in radikaler Armut. Gemeinsam mit Franz von Assisi gründete Klara vor den Toren Assisis die Frauengemeinschaft San Damiano. Bis zu ihrem Tod blieb Klara in strenger Klausur an diesem Ort und lebte nach der von ihr formulierten Ordensregel. 1212 legte sie in der kleinen Kirche Portiunkula ihr Gelübde nach eben dieser Regel ab. Ihre Schwester, die Heilige Agnes von Assisi, folgte ihrem Beispiel nur sechzehn Tage später.

Um dieses auch amtlich bestätigt zu bekommen, kämpfte sie bis zu ihrem Tod um das „Privileg der Armut“, sowie um die kirchliche Anerkennung der besonderen franziskanischen Lebensform. Die Ordensregel der Klarissen war die erste Ordensregel der Geschichte, die eine Frau für Frauen geschrieben hatte. Die Regeln sind für die damalige Zeit erstaunlich demokratisch – sie betonen insbesondere die Eigenverantwortung jeder einzelnen Schwester. Viele Frauen in ganz Europa fühlten sich davon angesprochen und ließen sich inspirieren, ähnliche Gemeinschaften zu gründen, darunter auch Agnes von Prag.

Klaras Mut und Gottvertrauen haben viele ihrer Zeitgenossen beeindruckt. So setzte sie sich einem Angriff der Sarazenen auf ihr Kloster 1240 mit Gebeten entgegen. Dasselbe tat sie, als Assisi ein Jahr später vom kaiserlichen Heer belagert wurde. Über 40 Jahre lang kämpfte sie für die Approbation ihrer Ordensregeln, die ihr Papst Innozenz IV. erst auf ihrem Sterbebett gewährte.

Zwei Jahre nach ihrem Tod wurde sie von Alexander IV. heilig gesprochen. Aufgrund ihrer Entrückungen und Visionen wurde sie 1958 von Papst Pius XII. zur Patronin des Fernsehens erklärt.




Im Hof des Klosters ist dieser Widderkopf in die Wand eingelassen. Der Widder ist eigentlich Symbol für männliche Zeugungskraft. Was er hier zu suchen hat?



Die Schwestern selbst bekommen wir nicht zu Gesicht, die leben abgeschieden von der Aussenwelt.

Wir wohnen mit einigen anderen Pilgern in einem angegliederten Haus mit eigenem Zugang über den Hof. Es ist kalt in den Zimmers, klein und leider nicht sehr sauber. Wie wir Tage später von anderen Pilgern erfahren, gab es auch Ungeziefer in den Zimmern. Ich bin froh, mir keine Läuse geholt zu haben. Der Reiseführer nennt es "eine authentische Unterkunft", das trifft wohl zu.



Es ist Nachmittag, wir haben viel Zeit. Wir gehen nach dem Duschen erstmal in eine Bar. Sie ist voll, es wird gespielt, diskutiert und getrunken. Wie immer läuft der Fernseher unbeachtet in der Ecke. Eine Dokumentation über die ETA, wie ich den Bildern entnehme.

Christoph ist am Somport Pass los gelaufen und hat für heute die Hälfte seines Weges berechnet, er gibt zur Feier eine Runde Café aus.



In Carrión gibt es durch die reiche Geschichte am Camino viele Kirchen und historische Gebäude.










Abends gehen Christoph und ich in die Messe. Santo Cristo del Amparo hängt am Y-Kreuz in der Kirche Santa María del Camino. Michael geht nicht mit, er ist Atheist. Wie üblich hier sind hauptsächlich ältere Frauen in der Kirche.



Nuestra Señora de las Victorias, eine wunderschöne Marienstatue aus dem 13.ten Jahrhundert. Sie ist ähnlich ausdrucksstark wie die in Eunate und Puente la Reina.



Santiago trotzt dem Wetter, und durch die moderne Beleuchtung auch der Dunkelheit.



Heute Nachmittag haben wir zusammen eingekauft. Wir kochen in der Herberge. Elisabeth ist auch da nach ihrem ersten Tag. Sie isst ein paar Kekse, unsere Einladung zum Mitessen schlägt sie aus. Sie möchte eine Diät auf dem Camino machen und begnügt sich mit ein paar Keksen. Ich finde das recht gewagt.
Wir gehen früh ins Bett, das Laufen war anstrengend durch den Wind.