Tag 26: St-Chely-d'Aubrac(F)-Estaing(F), 10h



Heute geht es weiter ins Tal des Lot hinunter, 400 Hm auf 16 km Distanz nach St.Come d´Olt. Das Wetter geht zur Sache. Wenn es hier schon so schneit, muss es oben auf der Hochebene des Aubrac richtig abgehen. Ich bin froh, gestern so weit gelaufen zu sein.



Der Weg ist überflutet, es gibt kaum Ausweichmöglichkeiten. Also ständig über Mauern und Zäune klettern.



Kurz nach der Aufnahme hält eine Autofahrerin, ich solle in keinem Fall auf den GR65 Pfad laufen, das wäre zu gefährlich. Das hatte ich auch eingesehen in den steilen Abwärtspassagen, darum laufe ich jetzt ja auf der Strasse.





Weiter unten im Tal wird es etwas wärmer, statt Schnee fällt Regen. Aber es ist nun klare Sicht, ich bin unter der Wolkendecke.



Das Zeichen des GR65 unterwegs.








Im Tal des Lot angekommen. Der Fluss mündet nach 481 km in die Garonne. Die Wassermenge ist stark von den Jahreszeiten und der Witterung abhängig und kann von rund 15 m³/s im Sommer auf 700 m³/s im Winter und Frühjahr anschwellen.



Saint-Côme-d'Olt auf 385 m.
Olt ist die okzitanische Bezeichnung für den Fluss Lot. Okzitanisch (Langue d'oc) ist eine galloromanische Sprache, die im südlichen Drittel Frankreichs sowie in Randgebieten Italiens und Spaniens gesprochen wird. Es ist die alte Sprache, in der die Troubadoure gedichtet haben. Nun ist sie am Aussterben.



Bemerkenswert ist die gedrehte, achteckige Tumspitze der Kirche.



In der Kirche Saint-Côme-et-Saint-Damien. Ich bemerke , dass der Opferstock rabiat aufgebrochen worden ist. Das sieht frisch aus, die Splitter liegen noch auf dem Boden. Ich hoffe, dass ich nicht verdächtigt werde, wenn jetzt jemand reinkommt oder wenn ich gegangen bin.



Saint-Côme-d'Olt ist eine wunderbare kleine Stadt, mit verwinkelten Gässchen und vielen alten Gebäuden.



Blick auf die Stadt vom Lot aus.



Nach einigen Kilometern im strömenden Regen entlang des Flusses liegt etwas abseits des Wegs, kurz vor Espalion, die Eglise de Perse. Der Chor und die Apsis wurden im 11.ten Jhd erbaut. An dieser Stelle wurde 730 der Hl. Hilarian von den Sarazenen enthauptet. Die Kirche ist die Kapelle eines ehemaligen Klosters, das 1060 gestiftet wurde und zum Kloster Conques gehörte. Es wurde während der Religionskriege 1537 zerstört, nur diese romanische Kapelle blieb verschont.

Sarazenen ist übrigens eine seit dem Mittelalter gebräuchliche, oft abwertend gebrauchte Bezeichnung für die Araber und andere islamische Völker. In neuerer Zeit ist der Ausdruck nicht mehr gebräuchlich.



Die Kirche ist bis auf den Altar leer. Die Leere bringt die alten Gemäuer und den Raum voll zur Geltung. Draussen regnet es in Strömen, innen herrscht eine ganz eigenartige, friedliche Stimmung. Ich fühle mich fern der Welt, singe in Ergriffenheit.











Das Portal der Kirche. Unten im Tympanon eine Darstellung des jüngsten Gerichtes und der Apokalypse, darüber eine Darstellung des Pfingstgeschehens. Oben links sind kleine Figuren in der Mauer eingelassen, Detailfotos sind hier zu finden.



Nur noch wenige Meter, dann bin ich in Espalion. Es ist Freitag Nachmittag, geschäftiges Treiben in der Stadt. Auch hier, wie auch in Saint-Côme-d'Olt, viele geistliche und profane historische Gebäude.



Espalion in der Region Midi-Pyrénées, Departement Aveyron, hat 4.500 Einwohner. Im Gegensatz zum grauen Granit auf der Hochfläche des Aubrac herrschen hier die roten Töne des Sandsteins vor. Ich gehe zur Touristeninformation, sie kündigen mich beim Gite in Estaing an. Ich rechne damit, dass ich wegen Hochwasser vielleicht Umwege laufen muss und recht spät ankommen werde. Estaing möchte ich aber in jedem Fall heute schaffen. Dann könnte ich morgen nach Conque laufen und dort am Sonntag den Ruhetag einlegen.



In den wenigen Kilometern seit St-Come hat sich der Lot verändert und hat jetzt die intensive Farbe des Bodens. Von den Äckern unterwegs erodiert die Erde und läuft in Strömen über Strassen und Wege in die Bäche und den Fluss.





Dann geht es weiter durch das Tal. Wieder etwas abseits vom Weg, hochwassersicher erhöht, liegt Saint-Pierre-de-Bessuéjouls. Eine Kapelle aus dem 11.ten Jahrhundert. Detailbilder sind hier zu finden. Ich nehme mir nicht viel Zeit, nach einem kurzen Innehalten geht es weiter.



Der GR65 ist hier durch den Regen zu glitschig. Um vor der Dunkelheit die 11 km nach Estaing zu schaffen, laufe ich an der Strasse.



Eine weitere Kapelle unterwegs, Trédou.



Dann komme ich nach Estaing. Ich bin völlig aufgeweicht vom ganztägigen Regen, für heute reicht es.



Estaing ist namentlich wohl am meisten bekannt durch Valéry Giscard d’Estaing, den Alt-Präsidenten Frankreichs. Der Name kommt allerdings aus der weiblichen Vorfahrenlinie und wurde erst im 20.ten Jhd durch staatliche Erlaubnis an den Vater von Valéry, einen hohen Politiker, zuerkannt. Die Bewohner wollen jedoch mit dieser Sippschaft nichts zu tun haben, was sie mir sympatisch macht.

In einem Café kann ich den Schlüssel zum Gite abholen. Überraschung, der Gite liegt in der Stadt in einer Kapelle. In einem Seitenraum hinten in der Kapelle ist die Küche, oben unter dem Dach die Betten, in Séparées. Allerdings gibt es keine Heizung ausser dem offenen Kamin, es ist kalt. Oben im Schlafraum ist die Scheibe des Fensters kaputt. Mit Waschen und Trocknen wird es hier nichts.



Ich habe noch eingekauft und koche mir was Leckeres. Dazu gönne ich mir eine Flasche Wein, es ist ja schliesslich Freitag Abend. Das Feuer lodert und wärmt den Raum.
Auf dem Bild ist gut zu sehen, dass die Hose durch den Regen piccobello sauber ist. Obwohl ich sie während der Reise nicht wasche steht sie gut da.

Die Strümpfe trocknen dampfend, ebenso die Einlagen.



Durch die Wetterlage zieht der Schornstein jedoch kein bisschen, ich muss ständig lüften um nicht zu ersticken. Meine Kleidung riecht noch nach Tagen nach Rauch.