Tag 24: Domain du Sauvage(F)-Aumont Aubrac(F), 8h, 3°C



Normalerweise findet man in der Küche eines Gite Lebensmittel und Utensilien, die Pilger zurückgelassen haben oder die bereitgestellt werden. Meist sind das Gewürze, Salz, Pfeffer, Essig, Öl, Tee und ähnliches. Weil der Gite recht neu ist, ist diesbezüglich heute Morgen nichts vorzufinden ausser einer halben Flasche Rotwein. Den Wein will ich zum Frühstück dann doch nicht konsumieren, daher koche ich mir Wasser. Ein Bekannter mit chinesischer Verwandschaft hat mir mal erzählt, dass seine Schwiegermutter immer nur pures heisses Wasser tränke, Tee oder Kaffee seien ihr zu auftragend und schwer im Geschmack.
Mit einer vorzüglichen Kanne heissen Wassers gestärkt ziehe ich los.

Es ist bitterkalt durch den Nebel, der Wind bläst kräftig über die Höhe.

Beim Verlassen des grossen Gehöftes sehe ich es fast vor mir, wie verwundete und erschöpfte Tempelritter aufgepäppelt wurden, um mit einem der sinnlosen und barbarischen Kreuzzüge in den Nahen Osten zurückzukehren.



Kurz nach der Passhöhe Col d' Hospitalet auf 1304 Hm stand ein 1198 gegründetes Hospital der Tempelritter, das ursprünglich dem Jakobus, dann dem Rochus geweiht war. Während der Religionskriege wurden die Gebäude zerstört, nur die gefasste Rochus-Quelle ist noch vorhanden. Ihr Wasser soll bei Augenleiden und schlecht heilenden Wunden helfen.



Nach Espalion 84 km, wohl zuviel für eine Tagesetappe :)



Als ich in tiefere Lagen komme löst sich der Nebel. Seit dem Abschied zuhause vor 24 Tagen habe ich zwar viel Feuchtigkeit gesehen in Form von Nebel, Schnee und Eis auf dem Boden, es gab jedoch keinerlei Niederschläge. Heute fällt erstmals kurz leichter Nieselregen.



Monts de la Margeride heisst der Höhenzug, den ich heute Morgen überquert habe. Die touristische Route heisst folglich Route en Margeride. Im Hintergrund die ersten Häuser von St-Alban-sur-Limagnole. Im Ort unten gibt es eine Bäckerei, die das leckerste Mandelgebäck auf dem ganzen Jakobsweg backt! Leider habe ich mir den Namen der Bäckerei nicht notiert, sie ist auf den linken Strassenseite in der Nähe der Kirche.



Hütten im Wald. So sah es hier wohl auch vor Jahrhunderten aus.



Les Estrets, schöne Wanderwege hier in der Gegend.






Ankunft in Aumont Aubrac, interessant verbautes ehemaliges Seitenportal der Kirche. Es gibt zwei Gites, einer davon soll das ganze Jahr über geöffnet haben. Das ist leider nicht so, der Gite wird umgebaut. Im Pfarrsaal soll man auch übernachten dürfen laut Reiseführer. Ich kann allerdings den Pfarrer nicht erreichen. Habe in Pilgerbüchern gelesen, dass Pilger auch schon in den Kirchen übernachtet haben. Ziehe die Kirche als Notfall-Schlafplatz in Betracht, aber Aumont Aubrac ist vergleichsweise gross und geschäftig, da werde ich sicher anderweitig unterkommen.

Treffe dann auch den Pfarrer an, er ist nicht gerade begeistert mich aufzunehmen. Aber seine anderen offerierten Optionen sind geschlossen. Wir verabreden uns zur Abendmesse, zu der er jetzt gehen wird in einem Schwesternheim. Ich gehe noch schnell Einkaufen für mein Abendessen.
Dann kann ich das Schwesternheim nicht finden und irre durch die Stadt. Eine Frau hilft mir und führt mich zu einem von aussen fast dunklen Gebäude. Komme gerade noch rechtzeitig, die Messe vor drei älteren Damen ist eben vorbei. Der Pfarrer nimmt mich mit zum Gemeindehaus. Ich habe eine Küche zur Verfügung, Dusche und kann auf einer Matraze in einem Zimmer unter dem Dach schlafen, das normalerweise wohl Bastelzimmer und Unterrichtsraum ist. Danke!

Beim Einkaufen hat mich ein Passant vor der Durchquerung des Aubrac gewarnt, es läge aktuell ca. 40 cm tief Schnee. Ich meine, dass ich dann ja noch genügend Bodenfreiheit hätte, bin zwei Köpfe grösser als er. Wir lachen.

Morgen steht in der Tat eine härtere Etappe an. Es wird durch das Bergland Aubrac gehen, das von den Flüssen Truyère und Lot begrenzt wird. Das Aubrac ist ein Granit Plateau, es ist im Mittel 1000 Hm hoch und kaum besiedelt. Ausserdem ist es für Wetterextreme und viel Schnee bekannt.

Nachts werde ich durch ein Geräusch wach, das ich lange nicht gehört habe. Starker Regen prasselt lautstark auf das Dach und das Fenster meines Bastelzimmers. Bisher war es ja trocken, was die Niederschläge betrifft. Was ziehe ich nun an, wenn es morgen noch so heftig regnet? Regenjacke über die Windstopperjacke? Nur Windstopperjacke? Nur Regenjacke? Ich liege eine Weile wach und grübele. Ach, erst mal sehen, wie das Wetter wirklich wird.

Herrlich, im Schlafsack mit Dach über dem Kopf! Was interessiert mich jetzt der Regen? Ich liege trocken, das ist alles was jetzt gilt. Das Prasseln schläfert mich ein.