Tag 16: Les Setoux(F)-St.Jeures(F), 8h, -5°C
Nach einer erholsamen Nacht in einem etwas zu kurzen Bett gehe ich zum Frühstücken ins Gasthaus. Brot, Kaffee und Kuchen. Meist frühstücke ich ein Stück Brot mit Honig in der Unterkunft und trinke unterwegs dann einen Kaffee. Heute also ein richtiges Frühstück. Gestern Abend und heute Morgen bin ich der einzige Gast und wurde gut und mehr als ausreichend versorgt. Ich bedanke mich bei der Wirtin, die auch den Gite betreut.
Voller Elan geht es in die Kälte auf den Weg. Am Brunnen links im Bild fülle ich noch meine Wasserflasche.
Die Sonne zeigt sich heute Morgen von der besten Seite mit schönen Farbspielen.
Die Luft ist eisig kalt. Im Gegensatz zu den letzten Tagen ist es eine trockene Kälte. Ich empfinde sie nicht als unangenehm kalt, da sie nicht in alle Ritzen kriecht wie der kalte Nebel. Bei diesem Wetter hat man meist eine sehr gute Fernsicht, so auch heute.
Das meinte Raul gestern wohl mit schwierigen Wegverhältnissen. Der Weg ist komplett vereist und unbegehbar. Auch der Schnee am Rand linken Wegrand ist total durchgefroren. Es bleibt mir nach einigen Versuchen nichts anderes übrig, als rechts über den Stacheldraht zu klettern und im Tiefschnee zu laufen.
Hier trügt der Schein, der Weg ist auch vereist. Die dünne Schneeschicht verdeckt teils die Eisstellen. Das Eis ist vom durchfrorenen Schlamm machmal ganz braun und als solches nur schwer zu erkennen.
Es ist trotzdem herrlich, hier zu sein bei dieser Stille. Manchmal höre ich in der Ferne die Waldarbeiter, ansonsten ist es ganz ruhig.
Es geht durch ausgedehnte Wälder, in tieferen Lagen sind die Bäume schneefrei.
So ähnlich waren wohl die Gebiete, in die sich Eremiten zurückgezogen haben, um alleine zu leben im Einklang mit den Natur.
Eine alte Mühle im Talgrund, wahrscheinlich eine Sägemühle. Wasser und Holz sind genügend vorhanden.
Dann wird es wieder neblig. Nachts wäre es wohl schwierig hier zu laufen. Eine Wegmarkierung übersehen, und man könnte ohne weiteres stundenlang im Kreis laufen, ohne es zu bemerken.
Ein Wegekreuz, sogar mit niedergelegten Blumen. In Deutschland sind die schlichten Kreuze am Weg oft Sühnekreuze oder Mordsteine, in Frankreich werden sie wohl eine ähnliche Funktion haben.
"Sühnekreuze sind Denkmale mittelalterlichen Rechts. Sie waren ein Erfüllungsteil von Sühneverträgen, welche zwischen zwei verfeindeten Parteien geschlossen wurden, um eine Blutfehde wegen eines begangenen Mordes oder Totschlages zu beenden. Der überwiegende Teil der Sühnekreuze ist in Kreuzform gestaltet, oftmals ist die Mordwaffe bzw. ein berufstypisches Gerät des Entleibten in den Stein gehauen. In den seltensten Fällen finden sich eingeschlagene Jahreszahlen. Text findet sich auf keinem echten Sühnekreuz aus dem 13.-16. Jahrhundert. Der einfache Bauer hätte es ohnehin nicht lesen können, weshalb Bilddarstellungen dominierten. Mit der Einführung der Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. im Jahre 1533 wurden private Abmachungen nicht mehr geduldet, an ihre Stelle trat das ordentliche Gericht, das den Täter nach dem neuen Recht verurteilte. Mit der Einführung dieses neuen Rechtes wurden die Sühneverträge zwar offiziell abgeschafft, lebten jedoch je nach Landessitte noch durch das ganze 16. Jahrhundert fort; erst das 17. Jahrhundert räumte mit ihnen endgültig auf." (Quelle http://www.suehnekreuz.de)
Stilleben.
Eine Fahrradspur! Viele Pilger machen den Jakobsweg mit dem Fahrrad. Ob es um diese Jahreszeit Fahrradpilger gibt?
Pferde stehen auf der Weide, ich kann von hier nicht ihre Rasse erkennen. Es wird sicher eine einheimische Rasse sein, kälteunempfindlich und nicht ängstlich.
Tence, Département Haute-Loire, Région Auvergne, 2900 Einwohner.
Zuvor bin ich durch Montfaucon-en-Velay gekommen, habe dort in einem Café die Wegplanung gemacht für heute und morgen. Wenn ich es heute weiter als Tence schaffe, kann ich wohl morgen nach Le-Puy-enVelay gehen. Dort werde ich eine Pause einlegen und mir in Ruhe die Stadt anschauen.
Tence ist ein schöner Ort, ich überlege, ob ich nicht bleiben soll für eine Nacht. Ich enscheide mich aber dafür weiterzugehen. Die Strecke von hier nach Le-Puy ist zu gross für eine Etappe und zu klein für zwei.
Im Nachhinein wird sich diese Planung als Fehler erweisen.
Die erste Karte ist nun durch, ich benutze nun die Karte Nummer 50 (Carte de promenade, St-Étienne - Le-Puy-En-Velay, 1:100.000 vom Institut Géographique National, IGN).
Tence vom Fluss Lignon aus.
Danach steigt der Weg wieder aus dem Tal heraus. Meine Füsse schmerzen etwas und ich bin müde. Es waren neben der reinen Distanz auch einige Höhenmeter heute, die sitzen mir in den Knochen. Von hier noch rund zehn Kilometer zu gehen. Das Ziel ist St-Jeures, ein ganzjährig geöffneter Gite. Es ist jetzt kurz nach 15 Uhr. Je nach Wegbeschaffenheit schaffe ich rund 4 Km in der Stunde. Ich wäre gerne vor 17 Uhr dort, damit auf jeden Fall jemand anzutreffen ist. Also Tempo anziehen.
Es wird kälter, der Wind frischt auf.
Le croix de Couvet lautet die Inschrift. Das Kreuz von Couvet am Chemin de Saint-Jacques de Compostelle, dem Jakobsweg.
St-Jeures! Ich schwitze und dampfe, freue mich darauf auszuruhen.
Das kleine Schild an der Tafel entgeht mir nicht. Verbotsschilder auf Ortstafeln sind mir als geschichtsbewusstem Germanen nicht sonderlich sympatisch, auch wenn ich sie nur dem Sinn nach verstehe.
Stationnement des Nomades
Le Stationnement des nomades est interdit sur L'ensemble de la Commune. Une aire a été spécialement aménagée au FANJARO Route d' YSSINGEAUX.
Ich fühle mich momentan den Nomaden und Vagabunden recht wesensverwandt. Na, schau'n wir mal was hier für eine Stimmung herrscht.
Die Herbergsmutter des Gite führt ein kleines Lebenmittel-Geschäft. Ich stolpere in den Laden und frage, ob ich den Schlüssel haben dürfte. Non, ferme. Nicht schon wieder so eine Aktion wie in Montgontier, aber sie bleibt dabei. Ich schaue auf die Uhr, ein paar Minuten vor fünf. Heute schaffe ich es nicht, nochmals eine halbe Etappe dranzuhängen. Über der Strasse ist le Mairie, das Bürgermeisteramt. Zum Glück ist noch einen Dame da. Ich schildere die Situation und stelle ihr dar, dass ich nicht in den Gite darf und dass es für mich nicht möglich sei, heute noch weiterzugehen. Weiter hinten im Ort wäre noch eine Unterkunft, meint sie und hofft mit einem Blick auf die Uhr, dass ich gehen würde. Ich bitte sie, dort anzurufen, was sie dann auch tut. Niemand nimmt ab. Dann meint sie, ich solle es nochmals beim Gite versuchen, die Herbergsmutter müsse mich reinlassen. Ich mache ihr klar, dass ich zurückkomme und bei ihr vor der Amtsstube schlafe, wenn der Gite für mich verschlossen bleibt. Als ich gehe sehe ich noch, dass sie den Hörer abnimmt. Sie ruft sicher die Herbergsmutter an.
Als ich in den Laden komme und nochmals höflich frage, darf ich auch tatsächlich übernachten. Zum Dank kaufe ich, für meine momentanen Verhältnisse, ordentlich ein.
Ein Dach über dem Kopf zu wissen ist eine feine Sache. Manche Dinge muss man von Zeit zu Zeit vermissen, um ihren Wert zu erkennen. Als wir in den Gite kommen, bin ich begeistert. Es ist zwar kalt, aber es gibt einen offenen Kamin und sogar Feuerholz. Die Herbergsmutter möchte das Feuer anmachen, beginnt auch den Boden etwas zu fegen und Tische zu rücken. Daher wollte sie wohl nicht aufmachen. Ich helfe ihr und übernehme das Feuer. Als sie geht, lächelt sie sogar kurz.
Erstmals habe ich eine Küche zur Verfügung. Ich brauche Aufbaunahrung, habe mir Spaghetti Bolognese gekocht. 250g Spaghetti, 200g Hackfleisch, 1 Zwiebel, ein paar Zehen Knoblauch und eine Flasche Wein. Der Abend gelingt.
Der Schlaf danach allerdings weniger. Ich schlafe zwar gut ein, habe ja auch die nötige Bettschwere und Müdigkeit. Dann wache ich aber auf und liege lange wach. Der Bauch ist zu voll, die Füsse schmerzen.
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