Tag 38: Lectoure(F)-Condom(F), 9h



Ich werde heute früh wach und frühstücke Brot mit Butter und Honig, mein Camino Lieblingsfrühstück. Nach dem Verlassen des Klosters werfe ich den Schlüssel in den Briefkasten. Eine Bar hat bereits geöffnet, es gibt also sogar einen Kaffee. Das muss förmlich ein guter Tag werden, nach diesem perfekten Start.
Von Lectoure geht es runter ins Tal. Beim Zurückblicken sehe ich durch den Nebel die Sonne hinter dem Kirchturm der Kathedrale aufgehen.



Nebelschwaden ziehen durch das Tal.



Durch den Nebel ist es recht kühl, aber einiges milder als bei dem sehr kalten Wind gestern Morgen.



Die ersten Kilometer geht es durch wunderbar abgelegene und stille Natur. Nach einer Weile löst sich der Nebel auf und die Sonne kommt durch.



Bei Marsolan wird ein See gestaut für die landwirtschaftliche Bewässerung, im Sommer ist es wohl eine trockene Gegend.





Ich laufe einen fünf Kilometer langen Umweg über La Romieu, dort soll eine Stiftskirche mit einem schönen Kreuzgang sein. Anfangs nehme ich nicht wahr, einen Umweg zu gehen, es hätte dann aber auch einen kürzeren Weg gegeben, wie ich im Führer sehe.

Der Pilgerweg zum Wallfahrtsort Rocomadour kreuzt in der Nähe den GR65.

Als ich aus einem Waldstück komme, traue ich meinen Augen nicht.



Ein kleiner Ort, 500 Einwohner. Mittendrin, massiv und gross, ragt eine Kirche auf. St.Pierre, aus dem 14.ten Jahrhundert. Wie konnte sich ein so kleiner Ort eine so grosse Kirche leisten? Ich bin fasziniert. In meiner Phantasie sehe ich die Pilger vor mir, die zur Mithilfe auf der Baustelle gebeten werden und einige Wochen oder Monate arbeiten gegen Kost und Logis.



Der Name des schönen Ortes kommt von dem gascognischen Arromieu, das Pilger bedeutet. Die mächtige Stiftskirche aus dem 14. Jahrhundert, die mit ihrem Turm eher an eine Burg erinnert, verdankt La Romieu dem hier geborenen Kardinal Arnaud. Der Kirchenfürst sorgte für das Wohlergehen des Ortes, wie die verbliebene Festungsmauer, Reste des Kardinalspalastes und der Turm bezeugen. Die nahe gelegene Abtei von Flaran, ebenfalls eine bedeutende Etappe der Jakobspilger, beherbergt eine ständige Ausstellung über die Jakobswege. (Quelle http://www.jakobus-info.de/unser_weg/camino2-4.htm)

Leider ist die Kirche verschlossen, Mittagspause. Immerhin gibt einen kleinen, geöffneten Lebensmittelladen. Käse und Baguette, herrliche süsse Stückchen und ein Liter frische Vollmilch. Nachdem ich auch noch einen Grand Café auf der Strasse in einem sonnigen Plätzchen einnehmen kann, bin ich über den geschlossenen Kreuzgang hinweggetröstet.



Nach dieser angenehmen Pause geht es weiter durch eine hügelige Gegend. Auf einem Höhenzug komme ich an die einsame Chapelle Sainte-Germaine aus dem 13. ten Jahrhundert, von einem kleinen Friedhof umgeben.



Dieser Ort hat eine wunderbar ruhige und friedvolle Ausstrahlung.



Beim Weitergehen blicke ich nochmals zurück auf die Kapelle. Bilderbuch Anblick.

An solchen Orten könnte man meinen, es hätte die blutige europäische Geschichte der letzten Jahrhunderte nicht gegeben. Dieser Zwiespalt zwischen gefühltem Frieden und wissend von Unrecht und Gewalt verfolgt mich oft an historischen Plätzen. Der Preis für den jetzigen Frieden war hoch.
Es gab viele Zeiten, da ich diesen Weg nicht ohne Lebensgefahr hätte laufen können.



Ankunft nach Condom, die letzten Kilometer für heute.



Condom, Region Midi-Pyrénées, Département Gers. 32000 Einwohner. Condom war früher Hochburg der Armagnac-Herstellung, daher gibt es auch gibt es ein Museum, das der Armagnac-Herstellung gewidmet ist, musée de l'Armagnac.

In einem Fotogeschäft kann ich die Bilder von meiner Camera auf CR-ROM brennen lassen, der Memory-Stick ist fast voll. Eine CD sende ich per Post nach Hause, eine behalte ich bei mir als Backup, falls die versendete CD verloren gehen würde. Dann formatiere ich den Stick und kann wieder bedenkenlos 500 Fotos machen. Ich wusste nicht, dass Fotogeschäfte inzwischen fast überall diesen Service bieten. Die müssen natürlich auch mit der Zeit gehen.



In der Mitte des Ortes ragt die spätgotische Cathédrale St-Pierre auf. Während der Hugenottenkriege drohte die Hugenottenarmee 1569 mit der Zerstörung des Doms, was von den Dorfbewohnern glücklicherweise durch der Zahlung eines beträchtlichen Lösegelds verhindert werden konnte.







Die Pfingstgeschichte, detailreich in Stein gemeisselt.

"Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten,
Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.
" (Apostelgeschichte, Kap 2. Quelle: http://alt.bibelwerk.de/











Ich komme in einem sehr guten, grossen Gite unter. Wie immer bin ich alleine. Für die Aussentüre erhalte ich einen Code, ich kann also ausgehen und die Türe von aussen öffnen.
Als ich Glocken läuten höre, gehe ich in die Kirche. Es gibt am Ende des Gottesdienstes den Segen, aus Asche wird ein kleines Kreuz auf den Kopf gestreut. Diesen Segen gibt es am Aschermittwoch, ich habe also den Karneval völlig unbemerkt verpasst! Wobei, in Konstanz waren die Strassen schon für die Fasnet geschückt, wie mir jetzt wieder einfällt.

Seinen Namen erhielt der Aschermittwoch übrigens, weil Asche der Palmen vom Palmsonntag des vergangenen Jahres am Aschermittwoch geweiht und den Gläubigen vom Priester auf die Stirn oder den Scheitel gestreut werden. Dabei erinnert der Priester die Gläubigen: Gedenke, o Mensch, du bist Staub, und zum Staube kehrest du zurück. Asche ist Symbol sowohl der Vergänglichkeit wie der Buße und Reue. Quelle www.heiligenlexikon.de

In der Stadt sehe ich eine Pizzaria, die sehr gemütlich aussieht. Mit Handschlag werde ich begrüsst und erhalte eine gute Pizza. Den Wein verkneife ich mir. In den letzten Jahren habe ich es mir zu Angewohnheit gemacht, in der Fastenzeit keinen Alkohol zu trinken. Die Fastenzeit dauert vier Wochen, von Aschermittwoch bis Ostern.
Ich beschliesse, auch auf dem Camino diese Gepflogenheit beizubehalten. Es wird mir schwerfallen, schliesslichlich laufe ich durch viele hochrangige Weinbaugebiete.

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Das mit dem Blasiussegen stimmt nicht so ganz. Selbiger wird am 3. Februar gespendet. Ansonsten stimmt alles (Aschekreuz am Aschermittwoch)

2/05/2007 8:19 PM  
Anonymous Anonym said...

@Banzelot, korrekt, Danke für den Hinweis. Der Blasius-Segen wird am 3.Februar gespendet, dem Namenstag des Blasius. Dabei werden zwei Kerzen verkreuzt an den Hals gehalten, zum Schutz vor Halskrankheiten.

Ich werde den Text anpassen.

2/05/2007 9:07 PM  
Anonymous Anonym said...

Tolles Bild beim losziehen....genau deshalb ist die reise ein Geschenk des Himmels

8/04/2013 4:24 AM  

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